DIE MORRIS TÄNZER*INNEN
Die Hügel der Cotswolds wachen in aller Stille über die Stroud Baptist Church Hall. Aber dort drinnen stampfen Füße über hölzerne Dielen. Es klingen Glöckchen. Volkstümliche Klänge erklimmen die staubigen Dachbalken, Wiederholungen in der Musik verzaubern uns. Wir sind hier, um Boss Morris zu treffen, eine Gruppe von Tänzer*innen, Musiker*innen, und Kreativen, die den Cotswolds Morris tanzen und ihre eigenen Neuerfindungen choreographieren. Wir sprechen über Natur und darüber wie sie ihre Gesichter mit Morgentau benetzen. Es geht um Monster Munch Snacks zu Halloween und darum, wie sie jahrhundertealte Tanzschritte erhalten und neu erfinden.
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Von links nach rechts: Lily C, Katie, Josie, Alex, Lily D, Rhia
Wie bist du zu Boss Morris gekommen?
Alex: Ich habe vorher schon den Morris getanzt und als ich nach Stroud gezogen bin, wollte meine Schwester es auch ausprobieren. Also haben wir im Freundeskreis herumgefragt und waren ganz überrascht von den "Lass es uns versuchen"-Antworten.
Rhia: Ich wuchs in Dartmoor auf, wo eine richtige Folklore-Kultur verwurzelt war. Ich habe schon im Sportunterricht in der Grundschule den Morris getanzt.
Lily C: Ich habe mich schon immer für Dinge interessiert, die außerhalb der klassischen Kunstformen angesiedelt sind. Outsiderkunst, folkloristische Kunst, Morris Tanz.
Katie: Ich wollte bei Boss mitmachen, weil ich, naja, mich selbst finden wollte. Mein Sohn hat in der Spielgruppe ein Projekt gehabt, wo er sagen sollte, was seine Familie macht. "Papa spielt Fußball, meine Schwester spielt und Mama putzt gerne das Haus." Das hat wirklich einen Nerv getroffen, es war der genaue Moment, in dem ich dachte, ich will meine eigene Identität haben. Und Tanzen ist auch ein Ventil. Es befreit mich davon, "nur" eine Büroangestellte und Mutter zu sein.
Josie: Die Mädels von Boss bedeuten mir alles.
Alex: Wir sind mittlerweile wie eine Familie, ich wäre ohne sie verloren. Es ist das wunderbarste Ventil für all unseren kreativen Ausdruck.
Rhia: Für mich ist es der reinste Eskapismus. Es geht darum, mich vom ganzen Ballast des Alltags zu befreien und einfach frei und albern zu sein. Und ich selbst.
Josie: Manchmal fühlt es sich an, als würden wir einfach über den Spielplatz tanzen, hüpfen, und so hoch springen, wie wir können.
Alex: Es ist fernab des Alltags, und fühlt sich exzentrisch an. Ein bisschen unbekannt und mysteriös. Es findet am Rand statt, und wir bewegen uns auf einer Art magischen Ebene des Lebens.
Verbindet der Morris Tanz euch mit der Natur?
Rhia: Er bringt uns der Natur näher, und verbindet uns mit der Landschaft.
Josie: Auch wegen Dingen wie der Morgen des ersten Mai. Wir stehen vor Sonnenaufgang auf und wandern zu unserer Dorfwiese, wo wir tanzen, bis die Sonne aufgeht. Und dann benetzen wir unsere Gesichter mit Morgentau, es ist eine ganz körperliche Form von Verbindung mit der Natur. Man ist danach ganz aufgekratzt.
Rhia: Und weil wir das Jahr mit den Jahreszeiten begehen. Wir sind mit dem Kreis der Natur, ihrem Kalender, verbunden. Und weniger mit dem Kalender der Gesellschaft, also Weihnachten, Ostern, Geburtstage. Und das kann befreiend sein. Es kann ein Weg sein, sich daran zu erinnern, dass man als Erwachsene auch kindisch sein kann. Dass man draußen spielen und eins mit seiner Umgebung sein kann.
Alex: Obwohl von uns niemand dem Heidentum angehört, stimmen unsere Aktivitäten mit dem heidnischen Jahreskreis überein. Wenn wir am ersten Mai mit der Dämmerung aufstehen und der Sonne entgegentanzen, fühle ich die Landschaft um mich und das Leben im Ganzen völlig anders.
Lily: Und es hilft. sich geerdet zu fühlen.
Warum ist es euch wichtig, einen uralten Volkstanz in die heutige Kultur zu bringen?
Lily D: Heute sind wir so in der Online-Welt aufgesogen, dass viele Menschen nach einem tieferen Sinn suchen. Tiefer als die nationale Identität, die momentan so turbulent und unklar ist. Der Morris Tanz verkörpert eine Verbindung zur Erde. Zu unseren Wurzeln, unserem Kulturerbe.
Katie: Es lehrt Demut, zu wissen, dass man die gleichen Schritte tanzt, die Menschen seit Jahrhunderten tanzen.
Josie: Wenn ich mein Boss-Kostüm anziehe, werde ich zu der mutigeren Person, die ich gerne wäre.
Rhia: Es hat eine Art Stammesdynamik. Und wirkt ermächtigend. Wenn wir unsere Schminke tragen, verwandelt uns das in ganz andere Menschen.
Und was trägt die Gruppe zu diesen jahrhundertealten Tänzen bei?
Rhia: Wir tanzen den Cotswolds Morris. Aber wir haben mit vielen verschiedenen Bands gearbeitet und unsere eigenen Tänze zu verschiedenen Stücken choreographiert. Auch zu Remixen, zum Beispiel electronische Remixe.
Katie: Wir treten überall auf. Auf Dorffesten, und riesigen, verrückten Veranstaltungen wie den Brits letztes Jahr.
Alex: Wir hatten nicht geplant, den Morris modern zu machen. Es gab keine spezielle Mission. Wir haben nur die Dinge gemacht, die uns angeregt haben, bei denen wir uns als Künstler*innen treu bleiben konnten. Und daraus kam dieser Weg.
Rhia: Und daraus kamen ständig ganz viele neue Seiten, was wunderbar ist. Das wollen wir sehen. Leute, die stolz auf die schönen volkstümlichen Tänze sind, die wir hier im UK haben.
Lily D: Unsere Musiker*innen lieben dieses Zitat: „Tradition bedeutet nicht, Asche anzubeten, sondern Feuer zu erhalten.“
Und welchen Traditionen hat die Gruppe selbst?
Rhia: An Halloween essen wir Chips.
Katie: Und zwar Monster Munch mit Pickled Onion Geschmack. Und wir machen unsere eigenen Kostüme.
Rhia: Wir alle lieben unsere urpsprünglichen goldenen Kostüme hier. Ein Zweiteiler aus Goldlamé. Mit lustigen, hangemalten Bilder drauf. Und wenn du schwitzt, stinken sie ganz furchtbar.
Josie: Und man kann sie nicht waschen!
Rhia: Aber sie nehmen einen besonderen Platz in unserem Herzen ein.
Und zuguterletzt, wie würdet ihr Boss Morris in wenigen Worten beschreiben?
Katie: Progressiv, gemeinschaftlich.
Josie: Freudig, voller Energie
Rhia: Lustig. Und total heiß.